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Queer-O-mat

Queering des Feminismus! Betrachtungen zu der Konferenz „Frauenfragen sind Männerfragen sind Geschlechterfragen? 40 Jahre Neue Frauenbewegungen. – Und jetzt?“ vom 12. bis 14. Juni 2008 an der

Im Rahmen der Konferenz „Frauenfragen sind Männerfragen sind Geschlechterfragen? 40 Jahre Neue Frauenbewegungen. – Und jetzt?“ vom 12. bis 14. Juni 2008 an der Ruhr-Universität Bochum fand die Arbeitsgruppe „Lesben – Vom lesbischen Identitätsfeminismus zur queeren Lebens- und Liebeskombinatorik“ statt, über die an dieser Stelle nachgedacht werden soll.
Eingebettet in einen akademischen und von namhaften Institutionen geförderten Rahmen gab man einer Reflektion von Identitätspolitik versus dekonstruktivistisch untermauerter Queer Theory bzw. Queerer Politik Raum. Die Frage, die sich jedoch anschließt, ist, inwiefern dieser kritische Denkraum inmitten vieler weiterer AG-Angebote verteidigt, genutzt und rezipiert werden konnte. Wie viel Platz hat heteronormativitätskritisches Denken innerhalb einer feministisch motivierten Veranstaltung und inwiefern wurde das Potential dessen für politische und gesellschaftliche Veränderungen erkannt bzw. aufgenommen? Um es kurz zu machen: an der AG haben von, schätzen wir mal, 60-70 Teilnehmenden 5 teilgenommen, was zu einem Verhältnis von 3 auf dem Podium agierenden Personen und 5 TN führt. Für mich als TN ein trauriges, leider nicht verwunderliches Ergebnis. Vielmehr möchte ich behaupten, ist die geringe Teilnahme symptomatisch für die Marginalisierung Queerer Theorie an der Universität und der Unsichtbarkeit queer-kritischen Denkens in praxisbezogenen Zusammenhängen, zumal an den anderen AGs durchgehend mindestens 10 Personen teilgenommen haben.
Die Frage, wie es dazu kommen konnte, lässt sich sicherlich damit beantworten, dass spannende AGs zur gleichen Zeit stattgefunden haben. Jedoch ist damit noch nicht alles gesagt. Beginnen könnte ich bereits mit dem Titel der AG, der mit der Süffisanz dessen, dass es sich bei queer um eine kumulative Kombinatorik von Lebenskonzepten handelt, den politischen Impetus von queer insoweit ironisiert, dass es sich nicht um ein Konzept struktureller Veränderung handeln könnte, sondern um ein individualistisches Ausleben vieler Möglichkeiten. Zudem suggeriert der Titel, Identitätspolitiken seien aufgrund der scheinbar befreienden und erfrischenden Lebens- und Liebenskombinatorik überwunden und hätten keine nachhaltige Wirkungsmacht mehr in gesellschaftliche Strukturen. Hat die Verwirrung darüber und die Reduktion queerer Politiken auf eine neoliberale Logik des Konsumierens von Geschlecht und Sexualpraktiken so abschreckend gewirkt, dass man es lieber vorzog die AG „ Versorgungsarbeit – Who cares?“ zu besuchen? Möglich wäre es, nachvollziehbar auch. Jedoch befürchte ich, ist das Fernbleiben nicht Ausdruck einer reflektierten Kritik am Titel und des davon abgeleiteten Inhaltes der AG, sondern eines allgemeinen Nicht-Ernst-Nehmen-Wollens von Queerer Theorie und Praxis bzw. deren Potentiale – sicherlich auch als Folge einer Vermarktung von queer als reinem Sammelbegriff alles Schrägen und „Perversen“, dem ich durchaus kritisch gegenüberstehe.
Schade – für diejenigen, die nicht Teil der AG waren und die kreativen Gedanken, wie Gesellschaft offener und weniger auf Identitäten beschränkt zu gestalten sei, nicht hören konnten! Nicht hören konnten, was Christian Schenk, ex MdB, und Elahe Haschemi Yekani, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin, zu sagen hatten, über eine Politik der Vielfalt und eine Bündnispolitik, die sich auf Themen bezieht und nicht auf vorausgesetzte und gleichsam unhinterfragte Identitäten wie Frauen, Männer, Lesben, Anders Befähigte, Senior_innen, Migrant_innen usw. Bei allem Verständnis gegenüber der Kritik an Queer Theory eröffnet sie die Möglichkeit jene normativen Begriffe in deren vermeintlichen Einheitlichkeit zu hinterfragen und dekonstruieren, ohne sie gänzlich aufzuheben. Vielmehr operiert queer mit diesen, um auf deren interdependente Konstitutionalisierung mit sich überlappenden Bedingungen wie „Rasse“, Klasse, Alter, Befähigung hinzuweisen. Somit kann Identitätspolitik niemals Menschen in deren Komplexität erfassen, da sie sich nur auf eine vermutete Identität zu stützen vermag, wie Christian Schenk betont. Elahe Haschemi Yekani meint darauf bezogen, dass die Realität der Menschen wesentlich vielfältiger und widersprüchlicher ist, als jede Vorstellung von Identität es ausdrücken kann. Somit ist immer zu fragen, wer bei der Schaffung so genannter Schutzräume ausgeschlossen ist. Wer hat Zutritt zu einem Frauenraum und müssten nicht alle draußen bleiben, weil mensch niemals nur Frau ist bzw. die pluralisierte Auffassung „Frausein“ unterminiert. Sind daher so viele der AG ferngeblieben – weil sich niemensch mehr nur noch als Lesbe versteht, sondern als weiße deutsche prekarisierte transgender Lesbe, der zu studieren es möglich ist? Oder haben sich die „die Männer“ nicht getraut, weil sie sich als Lesbe nicht angesprochen fühlten, obwohl sie eine grundlegende Kritik an Heteronormativität gehabt hätten. Wenn ja, wäre es ein gutes Beispiel bewiesen zu haben, inwiefern Identitätspolitik mehr Ausschlüsse produziert als sie Schutz zu sein verspricht und inwiefern sie die auf der gesamten Konferenz eingeforderten Bündnisse verhindert. Wie Christian Schenk bemerkte und Gudrun-Axeli Knapp in ihrem Vortrag am Sonntag bestätigte, sind Aussagen über die Lebenslagen und Lebensverhältnisse von „Frauen“ nicht möglich, konzentriert man sich ausschließlich auf das Geschlecht. Interdependenz als Zukunftsvision von Forschung, die sich der spezifischen Verfasstheit relationaler Kategorien zuwendet, stellt den Think Tank von Feminismus dar, den es meiner Meinung in der Pointiertheit ohne einer Politik des Queerens nicht geben kann.
Warum zu beobachten ist, dass es eine Abwehr gegenüber queerer Politik gibt, obwohl eine Zuwendung zur Auflösung kohärenter Identitäten hin zu grenzübergreifenden Politikansprüchen zu verzeichnen ist (auch auf der Konferenz), scheint mir unklar. Hat dies System? Stellt die marginalisierende Tendenz aus der Mitte feministischer Theorien einen Versuch dar, Definitionshoheit zu zementieren und reinstallieren nach Jahren ihrer eigenen Diskreditierung? Doch ist das auf Verlustangst zurückzuführende „Bashing“ von queer überhaupt berechtigt, wenn Feminismen zum Teil in das gleiche Horn blasen, wie Ansätze queerer Politiken? Wird mit Macht eine Differenz beschworen, die in den erweiterten Grabenkämpfen von Schwarzer über die Wellness-Feministinnen bis hin zu queereneden Aktivist_innen, Bündnisse im Keim ersticken? Vielmehr appelliere ich, sich zu solidarisieren, was auch bedeutet, dass der Feminismus ein Queering zulässt. Im gleichen Maße, wie Elahe Haschemi Yekani meint, queer nicht ohne Feminismus funktioniert, darf der Feminismus auch nicht ohne queer funktionieren. Beides hängt zusammen und muss in der Komplexität dessen sichtbar gemacht und eingefordert werden. Ganz einfach

Katrin Köppert, Studentin der Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin

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