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Queer-O-mat

Pornfilmfestival in Berlin – ein kurzes Review

In diesem Jahr fand vom 22.-25.Oktober das 4. Pornfilmfestival in Berlin statt. Angekündigt waren „so viele spannende und interessante Arbeiten von „Frauen“ wie noch nie“, einem Umstand, auf den sich laut dem Festivalleiter Jürgen Brüning die Presse stürzte, ohne danach zu fragen, welcher Motivation folgend. Wollte mensch sich in differenzbiologistischen Thesen, Frauen würden „andere“ oder gar hinter vorgehaltener Hand bessere Pornos machen, bestätigt sehen oder ging es tatsächlich um einen kritischen Blick auf mediale Geschlechterklischees und ausbeuterische Produktionsbedingungen?
Schließlich war das Programm viel versprechend, auch im Hinblick auf etwaige queere, alternative, feministische Pornos – que(e)rliegend zu stereotypen Geschlechterrollen, heteronormativem Mainstream und Herrschaftsverhältnissen.

Die Auswahl aus dem umfangreichen Programm fiel schwer und musste doch getroffen werden, so dass ich das Festival mit dem Eröffnungsfilm begann:

„The Band“ von Anna Brownfield aus Melbourne – ein Film, der zunächst nicht so richtig ins Klischee Porno passen will, waren doch explizite Sexszenen rar. Das jedoch stellte sich u.a. als das große Vermögen des Filmes heraus. Gut, die Story war „vorhersehbar“, aber das ist bei jedem seichten Hollywood-Film nicht viel anders und unter gewissen Voraussetzung „verzeihbar“. Viel wichtiger schien, dass den Protagonist_innen eine Sexualität jenseits der als „normal“ geltenden gelassen wurde und dass sie sich im Laufe der Story weiterentwickeln und in gewisser Weise emanzipieren konnten. Der Gitarrist, der die anale Penetration bei „Frauen“ bevorzugt, wird am Ende in eben jene Position durch eine Frau gebracht, die ihn anal befriedigt, was ihm sichtlich gefällt. Der Drummer hingegen trägt zunächst „heimlich“ Damenwäsche und braucht diese mehr von einer „Frau“ als die „Frau“ selbst zur sexuellen Befriedigung. Auch er wird am Ende des Filmes offen mit seinem Verlangen umgehen. Die Schlüsselgeschichte des Films jedoch ist eine Liebesgeschichte. Jimmy, Sänger und vermeintlicher Kopf der Band, ist ein selbstverliebter Exzentriker und will nicht nur musikalisch, sondern auch beziehungstechnisch auf Solopfaden wandeln. Gesagt getan, er verlässt die Band und seine Freundin Candy, die zwar erfolgreich seine Nachfolgerin in der Band wird, jedoch nicht über die Trennung hinwegkommt. Die Managerin Jennifer hat schon seit längerer Zeit ein „Auge auf Candy geworfen“ und bemüht sich nach Kräften, sie zu trösten. Großes Finale des Films ist eine „Liebes-Sex-Szene“ zwischen Candy und Jennifer – wer hätte gedacht, dass ein Porno so enden kann.

Weiter ging es mit:

Fun Porn – dieses Format wählte ich auch schon im letzten Jahr mit ähnlichem Ergebnis: Nicht über vieles konnte ich lachen, trotzdem war der ein oder andere Film interessant. Erwähnen möchte ich „Miss T´s Teaserama“, die den Kampf gegen den Riesendildo, wenn auch verloren, trotz allem aufgenommen hat. „Do you take it“ eine musikalische Anal-Reise. „Karaoke Show“ ein nackt tanzender Michael Jackson-Fan in Perfektion. „Dick Ho: Asian Male Porn Star“ auf den Spuren des einzigen asiatischen Pornostars in den 70er Jahren. Last but not least „Lesbian Gymnasts from USSR“ – wunderbar und tatsächlich witzig.

Stalags – Holocaust and Pornography
Eine Dokumentation, die ich als Schatz des Festivals bezeichnen möchte. Das Thema ist die Inkorporation eines auf Brutalität und Zerstörungswut beruhenden Traumas in die Sexualität und sexuellen Phantasien der Kinder von Holocaust-Überlebenden. Jene transgenerationelle Übertragung des Traumas in die Psyche der Kinder ließ Groschenromane mit dem vielsagenden Titel „Stalags“ entstehen, die Geschichten sadistischer KZ-Aufseherinnen erzählen, die jüdische Gefangene sexuell ausbeuten und quälen – jedoch nicht als Vorlage einer Auseinandersetzung mit dem Holocaust sondern als Wichsvorlage, die an nahezu jedem Kiosk in Israel erworben werden konnte. Die Monstrosität dieser Verkehrung des Ausbeutungsverhältnisses im Topoi sadomasochistischer Sexualität beschreibt die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen des Holocaust auf Israel, in das sich im Zuge der Nationenbildung ein Masochismus einschreibt. Ebenjener Masochismus macht insofern blind, dass der in späteren Stalags beschriebene Sadismus, der nunmehr vom israelischen Held ausgeht, überblendet werden konnte. Das was Avraham Burg in seinem Buch „Hitler besiegen“ auf politische Zusammenhänge bezieht, lässt sich im Film „Stalags“ anhand von Sexualität und Pornographie nachvollziehen. Mehr solcher Filme tun nicht nur dem Pornfilmfestival gut, sondern auch der Geschichtsaufarbeitung im Moment des Zusammenhangs von Gesellschaft und Sexualität.

Chicks with Guts

Swedish Sex
Viel lustiger als die FunPorns, wurden hier 6 Kurzfilme gezeigt, die mit einem Handy gedreht wurden und wirklich innovativ waren. Feministischer Porno in Bestform. Da lohnt sich der Kauf der DVD.

Porno Unplugged
Eine weitere Dokumentation, die allerdings meines Erachtens zu undifferenziert mit dem Thema umgegangen ist, da sie lediglich und ausschließlich den Mainstreambereich der Pornoproduktion abdeckte. Dabei waren die kritischen Momente zu kurz bzw. fehlten meines Erachtens ganz.

Roulette
Ein Feature-Episoden Film. Naja, wer 1,5h Sex ohne Handlung mag, dem sei dieser Film ans Herz gelegt. Positiv hervorzuheben sind sicherlich die Versuche, mit Klischees zu brechen, sowohl mit Blick auf queeren Sex und den möglichen Spielzeugen, aber auch in Bezug auf Sexualität ohne Partner_in. Nichts desto trotz schien sich alles zu wiederholen.

Experimental Porn
Experimentelle Pornografie verspricht einen ungewohnten Umgang mit filmischen und stilistischen Mitteln als auch Akteur_innen in verschiedensten Konstellationen und macht neugierig auf die Umsetzung. 10 Kurzfilme – 10 Variationen. Vom Sprechen über den Sex der Kindheit (Enfant v. Xavier Stentz), über Dildotektoniken als Infragestellung von Phallozentrismus und Neuentdeckung des Körpers (My Cock is a Dildo v. E.M. Bergsmark+ E. Nyberg) bis hin zum O(h)rgasmus als dem Sex ohne Bilder (Madrid 147 v. Sico Dice) boten sich Anregungen visueller Neukodierungen an, die ohne der störenden Zwischendiskussionen einen Genuss hätten sein können.

Unfaithful
Der Abschlussfilm, ein schwuler Porno und doch wieder keiner. Der Filmemacher Claude Pérès fragt Marcel Schlutt: „Ich will einen Film über das Verlangen machen…. Ich bitte Dich darum, mit mir Sex zu haben“. Vorwiegend „männliche“ Besucher_innen strömten in den Kinosaal und leider mit der Zeit in Scharen wieder hinaus. Was war der Grund? Zu wenig Sex, würde ich sagen. Der Film begleitet die Begegnung zwischen Claude und Marcel, die neben dem „Wunsch“ nach Sex miteinander, letztlich mehr reden. Der Beginn des Filmes liegt zudem im Dunkeln, da nichts auf der Leinwand zu sehen und lediglich die Erregung zu hören ist. Nach dem abrupten Ende des ersten Versuches, wird es nun „heller“ im Film. Es wird gefrühstückt, geredet, kleine Experimente mit der Kamera (zunächst soll sich Marcel Schlutt selbst befriedigen, danach werden die Rollen getauscht) und irgendwann der wahrscheinlich von vielen Besucher_innen ersehnte Sex. Leider waren zu diesem Zeitpunkt bereits 2/3 gegangen. Um den Film zu resümieren, lässt sich sagen, dass eben weil er nicht nur zeigt, sondern vieles andeutet und in seiner Stille sehr laut ist, er sehr sehenswert ist.

Und das noch zum Schluss
Das 4. PornFilmFestival ist in meinen Augen und in Bezug auf meine Filmauswahl gelungen. Viele haben überrascht, lassen nachdenken über das was Porno ist bzw. sein kann und lassen darauf hoffen, dass sich ein alternativer „Markt“ weiterentwickelt und dabei kritisch bleibt. Lieber einmal mehr que(e)rfragen, als eine Sexszene unterbringen.

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