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Queer-O-mat

Ein queerer Gedankenfick – „queere (t)ex(t)perimente“

Queer sein, queer leben oder sich queer engagieren ist für jemensch etwas anderes.
Manche begreifen sich als queer, weil sie sich zwischen den Geschlechtern bewegen, manche weil sie das eigene hinterfragen aber trotzdem „dabeibleiben“, wieder andere stellen Heteronormativität radikal in Frage und so weiter und so fort.

Was macht mich zum Queer? Bin ich immer queer? Was heißt überhaupt queer? Ist es ein Begriff, der, wie ich, wandelbar ist; der sich mir in einem Augenblick entziehen kann und im nächsten wieder zu mir zurückkommt? Was kann ich queeren? Was können andere queeren?
Das Buch: „queere (t)ex(t)perimente“ von Franziska Bergmann, Jennifer Moos und Claudia Münzig (Hrsg.) versucht genau das zu zeigen. Hinter queer keine feststehende Definition zu suchen, sondern den Begriff in seiner Vielfalt und Wandelbarkeit zu verstehen.

„als ein immer wieder auftauchender und abtauchender begriff wird queer dabei temporär mit bedeutung gefüllt, um diese bereits in der nächsten zeile, im nächsten text, im nächsten bild wieder zu hinterfragen und so ständig neu zu besetzen. queer steht nicht still.“ (Klappentext)

Um dies zu verdeutlichen, bedienen sich die Autor_innen verschiedener stilistischer Mittel. Neben (Fach-)Artikeln, Bildern und Collagen finden sich Comics und Gedichte. Queer durchdringt dabei jegliche druckbare und nicht druckbare Form. Queer ist immer wieder neu, so wie es auch die Text- oder Bildformen sind. So folgen im Buch nicht stumpf die Artikel oder Collagen aufeinander, sondern wechseln sich ab, in einem nicht durchschaubaren Rhythmus. Das lockert das Buch ungemein auf und lässt keine Seh- oder Lesegewohnheit entstehen. Allerdings folgen die Artikel formal wissenschaftlichen Ansprüchen, was wiederum weniger experimentell ist.
Unbedingt nachahmenswert sind auch die Abstracts, die im deutschsprachigen Raum, vor allem bei den Geisteswissenschaften, eher unüblich sind. Das gibt den Leser_innen die Möglichkeit, sich vorab zu entscheiden, ob der Artikel gelesen werden will oder eher nicht.
Inhaltlich wird ein weites Themenspektrum angeboten. Von „weiblicher“ Sexualität am liminalen Strand über queer-feministische ANALyse(n) der geschlechts-differenzierten Körpergrenzen bis hin zu männlichen Schwangerschaften in der Literatur ist einiges zu finden. Besonders spannend sind aber jene Texte, die sich nicht gänzlich einem „wissenschaftlichen“ Thema widmen, sondern experimentieren (und dem Wagnis eines (T)ex(t)perimentes näher kommen). Wie z.B. der Text von Caroline Günther: „Sex mit un/an/geeigneten Anderen oder: wer fickt hier eigentlich wen? – Ein TextSexperiment.“ Hier wir die Idee des Gedankenficks dargelegt.

„Sex ist ein Körperkonstituierungsprozess. […] Sex ist nicht an spezielle Körper gebunden, aber Sex ohne Körper ist undenkbar. Und Körper sind Räume, Körper bewegen sich in Räumen, Körper determinieren Räume, Körper werden von Räumen determiniert, Körper erschließen (sich) Räume durch Bewegung. Der Dildo stellt einen Körper dar, der durch seine Interaktion mit anderen Körpern ebendiese anderen Körper verändert, u.a. weil er Räume verändert. Der Dildo ist eine Raumverschiebungs- und damit Körperveränderungstechnologie.“ (S.92)

Abseits von Judith Butler (ohne die auch dieses Buch nicht auskommt) und (aktuellen) wissenschaftlichen Auseinandersetzungen werden normalisierte Blickregime auf den Körper mit einem Gedankenspiel durchbrochen.

Fazit:
Das Buch ist eine sehr gelungene Abwechslung zu üblichen wissenschaftlichen Angeboten und kann auch Nicht-Akademiker_innen erreichen. Es zeigt auf die eine oder andere Weise, was queer alles in einem Moment sein kann und im nächsten wieder nicht mehr oder anders.

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